Passive Sterbehilfe auch ohne Patientenverfügung
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Voraussetzungen der passiven Sterbehilfe für Wachkoma-Patienten geklärt, die keine Patientenverfügung haben. In solchen Fällen dürfen an die Feststellungen des Patientenwillens selbst dann keine strengeren Beweisanforderungen gestellt werden, wenn Patienten ohne die Einstellung lebenserhaltender Maßnahmen womöglich noch viele Jahre leben würden, wie der BGH in seinem Beschluss vom 16.10.2014 entschieden hat. Dem Beschluss lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem einer Patienten seit 5 Jahren auf einer Pflegestation im Wachkoma lag. Der Ehemann und die Tochter der Betroffenen waren zu deren Betreuern bestellt und hatten die Einstellung der künstlichen Ernährung per Magensonde für die Frau gefordert, die wegen einer Gehirnblutung seit 2009 im Wachkoma liegt. Die Angehörigen beriefen sich bei ihrer Forderung darauf, dass sich die Frau vor ihrer Erkrankung gegenüber Fami-lienangehörigen und Freunden gegen lebenserhaltende Maßnahmen bei solch einer Er-krankung ausgesprochen habe. Wenn, wie im aktuellen Fall, keine Patientenverfügung vorliegt und der betreuende Arzt einen Behandlungsabbruch verweigert, ist in einem betreuungsgerichtlichen Verfahren der mutmaßliche Wille des Patienten festzustellen. Die strenge dieser Ermittlung muss laut BGH aber unabhängig davon erfolgen, ob der Tod der Betroffenen unmittelbar bevor steht oder nicht. Selbst wenn keine Todesgefahr drohe und Patienten noch viele Jahre leben könnten, seien noch strengere Beweisanforderungen unzulässig, entschied der BGH und hob ein Beschluss des Landgerichtes Chemnitz auf. Dieses argumentierte in seiner Entscheidung, dass die Wachkoma-Patientin nicht unmittelbar vom Tod bedroht sei und daher besonders strenge Beweisanforderungen für die Feststellung ihres Sterbewunsches gelten würden. Die Aussage der Angehörigen über den Willen der Frau habe nicht ausgereicht. Es sei nicht sicher, dass die Betroffene in ihrer jetzigen Situation sterben wolle, so das Landgericht. Der BGH stellte nochmals klar, dass der Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen auch nicht eine Grunderkrankung mit „irreversibel tödlichem Verlauf“ voraussetze. Für die Ver-bindlichkeit des tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillens komme es auf die Art und das Stadium der Erkrankung nicht an, so der BGH.